Heute schreibe ich mir ein Ärgernis aus der Seele. Und zwar geht es um die MeBo, die vierspurige Schnellstraße Meran Bozen, 1997 in ihrer Gesamtlänge eröffnet. Und zwar bin ich – und noch ein paar andere, welche die Debatten vor Baubeginn bewusst miterlebt haben und über ein Erinnerungsvermögen verfügen –, es satt, dass man immer wieder,, bei jeder Gelegenheit, gebetsmühlenhaft, sich anhören muss: „Ja, ja, die MeBo, was täten wir ohne sie!“ Und jetzt kommt es richtig dick: „Wie konnte man damals nur dagegen sein.“
Dabei sind diese nonchalant hingeworfenen Behauptungen, welche mit zunehmenden zeitlichen Abstand immer häufiger werden, nicht nur Halbwahrheiten, sondern sind auch diskreditierend. Erstens, weil die MeBo in dieser Form nicht nur Probleme gelöst, sondern auch welche verlagert, ja sogar begründet hat, und weil in den Protestkundgebungen nie die Forderung laut wurde, man möge doch auf eine neue Straßenverbindung der beiden größten Städte Südtirols verzichten. In weiser Voraussicht waren sich die Protestierenden aber einig, dass es nicht nur darum gehen könne, die Dörfer des Etschtales vom Durchzugsverkehr zu befreien und die beiden Städte mit dem Auto schneller zu verbinden, sondern dass auch der öffentliche Verkehr, in diesem Fall die Bahn, als Alternative konkurrenzfähiger ausgebaut gehört.
Abb. 1: Nicht GEGEN sonder FÜR eine ANDERE MeBo. Auszug aus der Broschüre des „Dachverband für Natur- und Umweltschutz in Südtirol“ (wie fast immer auf die Abbildung klicken um die Darstellung zu vergrößern).
Schlussendlich hielt die Landesregierung an der vierspurigen Variante fest und spürbare Verbesserungen der Bahnanbindung ließen wertvolle Jahre auf sich warten. In der Zwischenzeit braucht man im Normalfall 20 Minuten, um von Bozen Süd zur Ausfahrt in Meran zu kommen, 45 Minuten hingegen vom Bahnhof der Landeshauptstadt bis zum jenem von Meran, wenn auch mit zeitgemäßem Rollmaterial und einem im Wesentlichen passenden Takt. Es bewahrheitete sich auch der Satz „Wer Straßen säht, wird Verkehr ernten“, denn inzwischen fahren doppelt so viele Autos von Meran nach Bozen und umgekehrt und die Täler nach Meran, insbesondere der Vintschgau, werden immer mehr von der Blechlawine überrollt.
Ich bleibe dabei: wenn die Verlagerung des automobilen Individualverkehrs auf den nachhaltigeren öffentlichen Schienentransport nicht nur ein Lippenbekenntnis sein soll, dann muss man dessen Konkurrenzfähigkeit stärken und nicht die bestehende Assimetrie in der Benutzerfreundlichkeit weiter fördern. Eine zweispurige MeBo hätte sehr wohl die Dörfer vom Durchzugsverkehr entlastet, ihre Attraktivität wäre aber geringer gewesen, die eingesparten Kosten hätten schon damals in die Verbesserung der Bahnverbindung investiert werden können; auch der Grundverbrauch wäre auch signifikant niedriger ausgefallen. Letztlich hat in einem Interview der Mobilitätsexperte Helmuth Moroder (leider ist mir die Quelle abhanden gekommen) diese Schlüsse bestätigt und auch Walter Bernard hat in seinem leider inzwischen stillgelegtem Blog auf diese Problematik überzeugend hingewiesen. Sehenswert auch der Filmbericht vom Elisa Tappeiner, der anlässlich dem 20. Jahrestag der Eröffnung der MeBo gestaltet wurde.
Zurück zu mir: Als angehender Landwirt, und schon deswegen dem nachhaltigen Wirtschaften verpflichtet, habe ich mich an den damligen Protestkundgebungen beteiligt. Gestärkt durch den jugendlichen Idealismus lag mir besonders der drohende Grundverbrauch und die landschaftliche Unversehrtheit des Tales am Herzen. Am Protestmarsch am Etschdamm zwischen Sigmundskron und Terlan nahmen dann nicht nur wertkonservative Bauern der Gegend sondern auch fachliche Kapazitäten wie der ehemalige Raumordnungslandesrat Alfons Benedikter und natürlich auch Bürger aus dem grünem Politspektrum teil. Eine bunte Mischung, die u.a. auch zeigte, wie berechtigte Anliegen parteiübergreifend vorgebracht werden können; das stimmte mich damals sehr positiv.
Abb. 2: Ein bunter Mix von verschiedensten Umweltbewegten („Dolomiten“ vom 20.3.1989).
Als dann nicht nur das vierspurige Projekt realisiert sondern auch die landschaftsschonernde Variante bei der Ausfahrt Eppan verworfen wurde, war ich sehr enttäuscht, ja traurig. Meine bisherige Überzeugung, dass Luis Durnwalder in jeder Hinsicht ein guter Landeshauptmann sei, bekam ihre ersten Kratzer. Nach der Etschregulierung war der Bau der MeBo in der realisierten Form der größte Eingriff in das Landschaftsbild des Etschtales. Auch ich benutze die MeBo, aber es tut mir jedesmal weh, wenn ich über dieses unsägliche Viadukt bei der Ausfahrt Eppan fahre, wohlwissend, dass auch anders gebaut hätte werden können. Die sogenannte Plattner-Variante, für längere Zeit auch von der Landesregierung als landschaftsschonendere Lösung hinsichtlich der Anbindung der MeBo an das Überetsch favorisiert, wurd schlussendlich aus Kostengründen zugunsten des ANAS-Projetkes hintangestellt. Dass wir leider mit dem Alternativkonzept „zwei Spuren und zwei Schienen“ erst heute, aber immerhin, Recht bekommen haben, ist ein schwacher Trost, der Schaden ist angerichtet. Bei dem investierten Herzblut tut es dann halt besonders weh, wenn die damaligen Kritiker als pauschale Verhinderer gebrandmarkt werden. Ich hoffe, mit diesem Beitrag bei den Lesenden für etwas mehr Verständnis gesorgt zu haben.
Abb. 3: Einige Zeitungsauschnitte, die den Widerstand und die Alternastivlösungen bezeugen. Das dargestellte Material ist ein Auszug aus der Zeitungsausschnittsammlung des „Landesverbandes für Heimatpflege“, hinterlegt in der Archivsammlung des Südtiroler Landesarchivs.
In diesem Beitrag verwendete Literatur- und Bildquellen: